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Etwas Großes kann entstehen

Die deutsche Nationalmannschaft steht laut Gordon Herbert zwar erst auf der dritten von zehn Entwicklungsstufen, zeigt aber schon jetzt, dass von ihr einiges zu erwarten ist.

Ein Text von Jan Finken

Justus Hollatz hatte keine lange Anreise für den kurzen Heimaturlaub. Der „Hamburger Jung“ nutzte den Supercup in Hamburg, um die anschließenden zwei freien Tage in seiner Geburtsstadt zu verbringen. Auch alle anderen Spieler der deutschen Nationalspieler reisten am Sonntagabend bzw. Montagmorgen zu ihren Familien, bevor es am Mittwoch ab Frankfurt für die DBB-Auswahl nach Abu Dhabi geht, wo vom 18. bis 20. August der USA Basketball Showcase ausgetragen wird. Deutschland trifft dort in der heißen Phase der WM-Vorbereitung auf die USA und Griechenland. Auch Headcoach Gordon Herbert blieb noch einen Tag länger in Hamburg: Er wollte Montagmorgen dem legendären Fischmarkt einen Besuch abstatten.

Er dürfte die freie Zeit genutzt haben, um die frischen Erkenntnisse von der 34. Auflage des Supercups aufzuarbeiten. Im Finale verlor die deutsche Auswahl gegen Kanada mit 112:113 nach Verlängerung. Es war ein logisches Finale, in dem die mit Abstand beiden besten Mannschaften des Turniers aufeinandertrafen. Tags zuvor gab es Kantersiege von Kanada gegen Neuseeland und von Deutschland gegen China. Die Kanadier hatten wenige Tage zuvor im Testspiel gegen den DBB in Berlin noch knapp 81:86 verloren, und in Hamburg merkte man, dass sie auf Revanche aus waren. Die Nordamerikaner agierten extrem physisch und gingen bisweilen über die Grenzen des Erlaubten hinaus. Für Dennis Schröder war das eine willkommene Erfahrung: „Wir brauchten das. Härter als Kanada heute kann man nicht verteidigen. Das WM-Vorrundenspiel gegen Australien wird ähnlich intensiv werden. Es war eine gute Erfahrung für uns.“

Beim Test in Berlin kamen die Deutschen mit der körperlichen Spielweise der Kanadier – trotz ihres Sieges – noch nicht besonders gut zurecht. Beim Finale des Supercups hielt die deutsche Auswahl besser dagegen und fand bis zur Mitte des Schlussviertels auch immer wieder spielerische Lösungen. Speziell Daniel Theis fühlt sich bei einer derart körperlichen Gangart wohl. Überhaupt macht der Big Man der Indiana Pacers eine körperlich hervorragenden Eindruck – kein Vergleich zu seiner Verfassung bei der EuroBasket im vergangenen Jahr, als man dem 2,04 Meter großen Power Forward die Folgen einer Knieverletzung stark anmerkte. Dass er ab Ende des dritten Viertels nicht mehr ins Spiel gebracht wurde, war eine reine Vorsichtsmaßnahme. „Daniel ist in unglaublicher Form. Er hat eine großartige Kondition und ist absolut entschlossen. Er möchte sein Land bestmöglich repräsentieren“, sagt Herbert, für den „Commitment“ bekanntermaßen ein Schlüssel ist.

Die deutsche Starting Five mit Schröder, Theis, Andy Obst, Franz Wagner und Jo Voigtmann gehört zu den besten Europas. Hamburg hat gezeigt, dass auch der zweite Anzug besser passt als noch eine Woche zuvor beim Testspiel gegen Schweden. Die Finesse von Maodo Lo und die Energie, die Moritz Wagner und Johannes Thiemann von der Bank bringen, sorgen dafür, dass bei Wechseln kein Bruch ins Spiel der deutschen Auswahl kommt. Gegen Kanada konnte das Team auch schon einmal den Ernstfall proben: Schröder, bis dahin mit 26 Punkten überragender Scorer des Teams, kassierte in der 34. Minute sein fünftes Foul. Eine seltsame Situation: Schröder rannte – unmotiviert, übermotiviert, absichtlich? – Kanadas Big Man Kelly Olynyk um und ging dann schnurstracks auf die Bank. „Ich habe das extra gemacht“, erklärte Schröder nach dem Spiel mit einem Grinsen im Gesicht – um dann hinterherzuschieben: „Im Ernst, das hätte ich smarter lösen können.“ Ob mit Absicht oder nicht: Elf Minuten (inklusive Verlängerung) musste die DBB-Auswahl ohne ihren Spielmacher und besten Scorer auskommen, und sie tat es mit Bravour: 23 Punkte erzielten die Deutschen in dieser Phase, Kanada 29 – Deutschland brach auch ohne Schröder nicht zusammen. Dass es ein wichtiger Move gewesen sein könnte, mit Justus Hollatz (der wegen einer Verletzung beim Supercup erneut geschont wurde) einen dritten Point Guard in den Kader zu nehmen, bewies die Partie gegen Kanada. Neben Maodo Lo brachte Franz Wagner den Ball gegen die aggressive kanadische Defense nach vorne, was ihn jedoch seiner Korbgefährlichkeit beraubte.

112 Punkte gegen eine kanadische Mannschaft, gespickt mit NBA-Spielern und Mitfavorit auf den WM-Titel, sind eine Ansage. Die Offensivkraft der Deutschen kaschierte die Schwächen in der Defensive: 113 Gegenpunkte sind zu viel, auf Highlight-Plays im Angriff folgten zu oft einfache Korberfolge der Kanadier. „Wenn wir eine (Entwicklungs-)Leiter mit zehn Stufen haben“, sagte Herbert, „dann stehen wir jetzt auf Stufe drei oder vier.“ Um die nächsten zu erklimmen, muss der Fokus auf die Defensive gelegt werden. Am anderen Ende des Feldes scheinen nur Feinjustierungen nötig, etwa eine weniger statische Offensive unter Druck oder ein System, um Dreierspezialist Andreas Obst (noch mehr) in Position zu bringen. Und während Moritz Wagner sein Team im Spiel gegen Schweden mit seinem Enthusiasmus noch auf die Siegerstraße brachte, verlor er sich gegen Kanada in wilden Einzelaktionen. Doch das sind Kleinigkeiten, an denen Gordon Herbert und sein Trainerteam in den kommenden Tagen arbeiten werden. Die Entwicklung der Mannschaft binnen einer Woche, vom Test gegen Schweden bis zum Supercup, ist jedenfalls beeindruckend. Die frühe Fokussierung auf das „spielende Dutzend“ für den finalen WM-Kader war in dieser Hinsicht anscheinend hilfreich. Gordon Herberts klare Linie ist die Richtschnur, an der sich das gesamte Team orientieren kann, die Mannschaft wirkt wie eine verschworene Einheit und verströmt gleichzeitig Lockerheit. Eine Kombination, aus der Großes entstehen kann.
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