Appetizer des Monats Januar 2024
MORITZ WAGNER über die Effekte des WM-Erfolgs, sein Leben in der NBA und den Versuch, bei allem Hype das Menschliche in den Vordergrund zu stellen
Interview: Martin Fünkele
Moe oder Moritz?
Moritz! Der Moe ist nur für die Amis, die Moritz nicht aussprechen können.
Moe wird in Deutschland gerne genommen, weil es zu dem lustigen Typ passt, den du off court oft gibst. Wie wichtig ist dir dein Image?
Ehrlich gesagt, weiß ich nicht so recht, wie mein Image sich definiert. Ich bin ein großer Fan von Authentizität. Ich mache mir keine großen Sorgen darüber, was andere über mich denken. Das sagen viele, aber es ist ja auch ein menschlicher Instinkt, sich darüber Gedanken zu machen, wie man wahrgenommen wird. Ich versuche, meine Energie darauf zu konzentrieren, so rüber- zukommen, wie ich bin. Ich finde es auch im Basketballkontext wichtig, den Menschen zu zeigen, der man ist. In Interviews sind mir Standardfloskeln deshalb oft zu langweilig – ich bin eher der Frei-Schnauze-Typ.
Heißt das, du vermeidest bestimmte Situationen: PR-Auftritte, Social-Media-Aktivitäten – Bühnen, auf denen man sich profilieren kann?
Ich würde nicht sagen, dass ich solche Situationen meide, versuche aber immer dann, wenn ich in der Öffentlichkeit auftrete, den Menschen in den Vordergrund zu stellen. Im Sport wirst du ja dazu verleitet anzunehmen, dass das, was du tust, absolut alles ist. Das Leben besteht also nur aus Basketball, und die Loyalität zum Verein ist das Allergrößte. Als Profi habe ich aber schon erlebt, dass das ganz schöner Quatsch sein kann, weshalb ich immer versuche, das Menschliche zu betonen.
Du spielst momentan den besten Basketball deiner NBA-Karriere, punktest so viel wie nie, bist einer der effektivsten Center, die von der Bank kommen. Wie viel hat das mit der WM, mit einem größeren Selbstbewusstsein zu tun?
Einen Titel gewonnen zu haben, hat mir extrem viel gegeben. Um in einem Teamsport etwas zu erreichen, muss jeder sehr viel opfern: ob es um Zeit für dich, Zeit mit der Familie oder Zeit auf dem Court geht. Jeder muss Opfer bringen, weil es eben nicht funktioniert, wenn alle 30 Würfe nehmen. Das zu akzeptieren, auch wenn es nicht immer einfach ist, ist mir eigentlich schon immer ganz gut gelungen. Aber wenn du dann tatsächlich etwas Großes gewinnst, ist das noch einmal etwas ganz anderes: Durch diese Erfahrung verstehst du viel besser, worauf es ankommt – auch wenn die Trainer dir das über Jahre immer wieder erklärt haben. Für mich hatte das den Effekt, dass ich aktuell weniger hinterfrage und mehr Energie
darauf verwende, effizienter zu werden. Dazu kommt, dass ich extrem dankbar für meine Situation in Orlando bin, weil ich weiß, dass es auch ganz anders sein kann.
Du sagst es, du kennst auch den weniger spaßigen Teil deines Jobs: In der Saison 2020/2021 hast du in drei Teams (Washington, Boston, Orlando) gespielt, konntest nie sicher sein, wie es weitergeht. Was hat diese Zeit mit dir gemacht?
Im Nachhinein bin ich dankbar, dass ich das erlebt habe, weil es mir dabei hilft, meine aktuelle Situation wertzuschätzen. Dass ich mit Franz zusammenspiele, ist eine Sache, das andere ist, eine feste Rolle und eine Organisation hinter sich zu haben, die wirklich in dich investiert. Das ist in dieser Liga sehr, sehr viel wert. Ich weiß, dass es nicht selbstverständlich ist, einen Job in der NBA zu haben. Diese Erfahrung gemacht zu haben, ist wertvoll für mich.
Was hast du in deinem Leben zuletzt aufgegeben, weil du den Spaß daran verloren hast? Ich merke immer ziemlich schnell, was mich begeistert und was nicht – das ging mir schon als Kind so. Wenn mich etwas packt, kann ich mich da voll reinstürzen, wenn nicht, lass’ ich es sein. Mit dem FIFA-Manager-Spiel geht es mir immer wieder so. Ich fange an, mit meinen Jungs zu zocken, bekomme eins auf die Mütze und werfe den Controller weg. Ein Gamer wird wahrscheinlich nicht mehr aus mir. Wer dich spielen sieht, merkt schnell:
Der Typ meint es ernst, der spielt immer hart. Woher kommt diese Freude,
sich reinzuhauen, Offensivfouls anzunehmen, die kleinen Sachen zu machen?
So zu spielen, kostet mich wenig Energie, für mich ist das etwas ganz Natürliches. Und ich liebe es einfach, Basketball zu spielen. Anstrengender ist es für mich, meine Energie in produktive Aktionen umzuwandeln. Wenn du so spielst wie ich, läufst du Gefahr, dich darin zu verlieren. Meine Energie zielgerichtet einzusetzen, ist etwas, woran ich gerne arbeite, was für mich aber anstrengender ist, als die pure Energie aufs Feld zu bringen.
Ist deine Rolle in Orlando mit der in der Nationalmannschaft vergleichbar?
Ja, das ist ganz ähnlich. Ich komme von der Bank, spiele so 20 Minuten und versuche,
die Zeit, die ich bekomme, sehr ernst zu nehmen. Ich will guten, strukturierten Basketball mit viel Energie und einer gewissen Aggressivität aufs Feld bringen. Die Rolle kann man vergleichen, die Art des Spiels nicht. Einerseits machst du 80, 90 Punkte, andererseits 120 – der Spielstil ist anders, meine Rolle aber ähnlich.
Moritz Wagner
geboren am 26. April in Berlin. Gab als 17-Jähriger für ALBA BERLIN sein Debüt in der Bundesliga und in der EuroLeague. Verbrachte drei Jahre an der University of Michigan und erreichte in seinem Abschlussjahr das Endspiel um die College-Meisterschaft. Anschließend wurde Wagner 2018 von den Los Angeles Lakers als 25. Spieler im NBA- Draft ausgewählt. Nach einem Jahr in LA folgten Stationen in Washington und Boston. Seit 2021 spielt Wagner in Orlando, gemeinsam mit seinem Bruder Franz. Für das Nationalteam lief Wagner 28-mal auf, wurde 2021 beim Olympia-Qualifikationsturnier zum MVP gewählt und 2023 Weltmeister.
Das ganze Interview mit Moritz Wagner lest ihr in der BIG #135