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Einfach mal Geschichte geschrieben

Erster Auftritt in der Olympia-Geschichte, erster Sieg: damit haben wohl die wenigstens gerechnet. Deutschland lässt Europameister Belgien kaum eine Chance und lebt weiterhin den Traum vom Viertelfinale

Text: Katarina Schubert

Einen Tag später haben wohl immer noch die wenigstens begriffen, was da gestern im Stade Pierre Mauroy in Lille eigentlich passiert war. Angefangen bei den fast 20.000 Belgien-Fans in der Halle, den belgischen Spielerinnen und sogar den Medien. Am wenigstens aber die Deutschen selbst, die für die erste richtig große Überraschung des olympischen Turniers sorgten.

Denn nicht nur gewann das Team von Bundestrainerin Lisa Thomaidis gegen den haushohen Favoriten, es schrieb auch noch Geschichte. Denn bei der Olympia-Premiere direkt den ersten Sieg einzufahren, das gelingt nicht allen. „Was wir gestern geleistet haben, war unglaublich“, so Thomaidis gegenüber der BIG. „Ich bin so beeindruckt von unserem Team, von unserer Zähigkeit, von unserem Kampfgeist. Unsere Spielerinnen haben unter diesem Druck gut abgeliefert, das Stadion war randvoll mit belgischen Fans. Es hat wirklich Spaß gemacht, dabei zu sein.“

Elf Punkte in elf Minuten: Die 20-jährige Frieda Bühner. Foto: Imago/Camera4

Belgien war haushoher Favorit

Mit Mut und Entschlossenheit in die Olympischen Spiele gehen, das war eh der Plan, wie Nationalspielerin Marie Gülich im BIG-Interview kurz vor dem Turnier erzählte. Trotzdem war Belgien der haushohe Favorit. Nicht ohne Grund, denn nicht nur sind die „Red Cats“ amtierende Europameisterinnen, sie haben dem deutschen Team in den vergangenen Jahren auch die ein oder andere empfindliche Niederlage zugefügt. Hinzukam eine Vorbereitung, die aufgrund von Krankheitsausfällen sowie späten Anreisen nicht reibungslos verlief.

All das war nun aber vergessen. Die Bedeutung des Moments war zwar allen Spielerinnen bei der deutschen Nationalhymne ins Gesicht geschrieben, ansonsten ließ sich das Team um Kapitänin Satou Sabally aber nicht von der beeindruckenden Atmosphäre überwältigen. Denn auch wenn die Ränge in schwarz-rot-goldene Farben getaucht waren, stellten Team Germany-Fans die Minderheit. Keine Überraschung, die belgische Grenze ist nur knapp 100 Kilometer entfernt, ein Heimspiel quasi.

Als Team überzeugt

Der erste Punkt der Partie – und damit auch der erste Punkt in der Olympia-Geschichte des deutschen Teams – ging auf das Konto von Nyara Sabally. Ein Auftakt nach Maß, bereits nach dem ersten Viertel führte Deutschland mit 25:11, zwischenzeitlich war der Vorsprung sogar auf 22 Punkte angewachsen. Auch wenn am Ende die üblichen Verdächtigen auf deutscher Seite für die meisten Punkte sorgten – allen voran die Sabally-Schwestern sowie Leonie Fiebich – stach insgesamt die Teamleistung hervor. Fünf Spielerinnen erzielten mehr als zehn Punkte. Egoismus? Fehlanzeige. Und auch hinten ließ Deutschland kaum etwas zu. Alexis Peterson glänzte als Aufbauspielerin, zauberte hier und da sogar einen Pass hinter dem Rücken hervor.

Was dazu führte, dass Belgien kaum ins Spiel fand. Da half auch nicht der frenetische Jubel der belgischen Fans, die bei jedem Punkt von ihren Stühlen aufsprangen. Selbst die größten Optimisten unter ihnen mussten irgendwann einsehen, dass gegen die Spiellaune dieses deutschen Teams kein Kraut gewachsen war. Noch nicht einmal Star-Spielerin Emma Meesseman, mehrfache MVP in der EuroLeague, konnte die Niederlage verhindern, trotz ihrer phänomenalen 25 Punkte.

Satou Sabally war ihre monatelange Spielpause kaum anzumerken. Foto: Imago/Camera4

Sorgen um Nyara Sabally, Bühner glänzt

Einen Schreckmoment erlebte das deutsche Team aber dennoch. Gegen Ende des dritten Viertels blieb Nyara Sabally verletzt liegen. Die bis dahin mit 16 Punkten beste Scorerin der Deutschen wurde ausgerechnet von der eigenen Mitspielerin, Leonie Fiebich, ausgeknockt. Unter Applaus musste die 24-Jährige die Halle verlassen, später am Abend stand die Diagnose fest: Eine leichte Gehirnerschütterung. Ob Sabally am Donnerstag gegen Japan (11 Uhr) wieder dabei sein kann, steht noch nicht fest.

Bundestrainerin Thomaidis musste anschließend umstellen, auch weil Luisa Geiselsöder wegen zu vieler Fouls auf der Bank Platz nehmen musste. Es folgte der Auftritt Frieda Bühners. Oder wie der französische Hallensprecher charmant sagt: „Friedaaaa Buuuhneeerrrr“. Noch im Juli wurde Bühner ins All Star-Team der U20-Weltmeisterschaft gewählt, erst im Anschluss reiste die 20-Jährige zur Nationalmannschaft an. Elf Minuten stand die Jüngste des Teams, die keinerlei Nerven zeigte, auf dem Platz und erzielte dabei elf Punkte.

Kann man mal machen, sagte auch Satou Sabally nach der Partie. „Ich habe einfach Gänsehaut, wenn ich über Frieda spreche, weil sie so eine tolle Spielerin ist und dabei so bescheiden“, so Sabally gegenüber der FIBA. „Ich liebe Frieda – das ist mein Mädchen. Ihre Leistung gegen Belgien mit diesem Selbstvertrauen zeigt, wie gut sie sein kann, und ich weiß, dass sie eines Tages zu den Besten gehören wird, wenn sie weiter daran arbeitet.“

Der Traum vom Viertelfinale

Deutschland ging als Außenseiter ins olympische Turnier, das hat sich trotz des gestrigen Sieges nicht geändert. Doch der Traum vom Viertelfinale lebt. Denn nicht nur die ersten Zwei jeder Gruppe kommen weiter, sondern auch die zwei besten Drittplatzierten. Als nächstes steht Japan auf dem Programm, die vor heimischer Kulisse in Tokio 2021 immerhin Silber holten. Der Fokus läge nun voll auf dem kommenden Spiel, so Thomaidis. „Wenn wir das gewinnen, haben wir das Viertelfinale sicher. Und wenn nicht, kommt es auf den Vergleich an.“

Es über die Gruppenphase hinaus zu schaffen, das war bereits vor Turnierbeginn das Ziel. „Das wäre richtig cool. Ich weiß, wie hart wir gearbeitet haben. Und ich weiß auch, wie schwer der Weg dahin war. Deshalb wünsche mir einfach sehr, dass wir uns damit belohnen“, erzählte Gülich vor wenigen Wochen noch der BIG. Vielleicht erfüllt sich der Traum ja bereits am Donnerstag.

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