Text : Rupert Fabig , Foto: FIBA
Das Deutsche Haus wurde schlagartig leer. Was nicht unmittelbar an Hendrik Wüst lag. Für den Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen war es dennoch ein klarer Fall von falscher Ort zur falschen Zeit. Der CDU-Politiker hob sich in seiner Rede zur NRW-Abend in Paris in puncto Ausschlussreiche nicht sonderlich vom eher mäßigen Niveau anderer Volksvertreter ab, die im Stade Jean-Bouin vorbeischauten. Er hielt sie nur dummerweise auf dem Podium im Inneren des Rugby-Stadions von SF Paris, das der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) während der Spiele gemietet hat, auf dem bis dahin das Gruppenspiel der deutschen Basketballer gegen Brasilien übertragen wurde.
Die Konsequenz: Ein Gros der Athleten, Funktionäre, Sponsoren und Journalisten flüchtete auf die Tribüne, wo das Match auf drei großen Screens gezeigt wurde.
Später, als Wüst ausgesprochen hatte, wurde es im Innenraum wieder pickepackevoll.
Der Weltmeister ist angesagt, mit den Namen kann jeder etwas anfangen. Jeder Crossover von Kapitän Dennis Schröder wurde beklatscht, jeder Eurostep-Korbleger von Franz Wagner bejohlt, bei Andi Obst genügte ein Ballkontakt, um die Zuschauer zum Raunen zu bringen. Die Erwartungshaltung des DOSB und auch unter den anderen deutschen Olympioniken ist die einer Medaille. Vielleicht die Kernbotschaft bis hierhin, wie weit es die deutschen Männer gebracht haben. Noch vor drei Jahren wäre allein die Qualifikation für Olympia schwerlich vorstellbar gewesen. Nun also Edelmetall.
Die ersten Begegnungen haben Aufschluss darüber gegeben, dass dies auch möglich ist. Die Mannschaft von Bundestrainer Gordon Herbert spielt nicht einmal am Limit und fuhr, zugegeben gegen zwei schlagbare Gegner, souveräne Siege ein. Franz Wagner hat seinen Dreier verloren; Johannes Voigtmann seine Offensive noch gar nicht gefunden; Maodo Lo wirkt zeitweise ohne Rhythmus – allein, es scheint nicht zu stören.
Und das hat in erster Linie mit Schröder zu tun. Der 30-Jährige musste noch gar nicht als Scoringmaschine in Erscheinung treten, hat aber in puncto Spielführung seit der WM im vergangenen Jahr einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Schröder findet nahezu immer den richtigen Mittelwert zwischen aggressivem Zug zum Korb, Stepback und zuletzt immer häufiger dem smarten Assist. Bei Großereignissen liefert der deutsche Fahnenträger einfach ab.
Sein Selbstverständnis hat sich auf die Mannschaft übertragen. Die Kohäsion auf und abseits des Feldes ist sichtbar. Dass Herbert immer Commitment einforderte, macht sich im guten Zusammenhalt bemerkbar, aber auch im Zusammenspiel, das zeitweise blind wirkt. Kaum ein Konkurrent hat so viele gemeinsame Spiele bestritten.
In Folge ist der Weltmeister am Freitag sogar leichter Favorit gegen Olympia-Gastgeber Frankreich, der bisher eher enttäuschte. Der komplizierte Auslosungsmodus (viel zu umfangreich, um ihn an dieser Stelle zu erklären) könnte dennoch ein Duell mit den USA im Viertelfinale ermöglichen.
Es wäre der größtmögliche Undank, denn das Dreamteam dürfte der einzige nicht zu besiegende Konkurrent sein. Selbst gegen Serbien und Kanada sind die Deutschen mindestens auf Augenhöhe.
In Paris muss allerdings eine leichte Steigerung folgen. Für Japan und Brasilien hat es trotzdem gereicht. Für Hendrik Wüst sowieso.
In Paris muss allerdings eine leichte Steigerung folgen. Für Japan und Brasilien hat es trotzdem gereicht. Für Hendrik Wüst sowieso.