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Zu Besuch bei Hotsch

Wembanyama, Musik und 47 Grad: Warum es sich lohnt, Holger Geschwindner in seinem Lieblingscafé zu treffen 
Text: David Hein | Fotos: Imago

Holger Geschwindner liebt Basketball. Das merkt man schon nach ein paar Minuten mit dem Mann, der vor allem als Mentor von Dirk Nowitzki bekannt ist. Aber es gibt noch so viel mehr über Geschwindner zu wissen – der ein Meister der Entwicklung des Spiels ist, das er liebt. Zunächst einmal hat der 78-Jährige kein richtiges Büro. Am einfachsten ist es, Geschwindner in seinem Lieblingscafé im Herzen Bambergs zu treffen. Geschwindner wohnt etwas außerhalb und kommt regelmäßig in die mittelalterliche Stadt, um mit Jugendlichen zu arbeiten – und jedem, der zuhören will, seine Sicht des Spiels zu vermitteln.

Der knorrige, schlaksige Geschwindner kommt in seinem Café an, geht nach hinten durch und bestellt Kaffee und Kuchen. Dann wartet er darauf, dass die Bedienung ihm einen Tisch in dem überfüllten Lokal zuweist, in dem viele Menschen auf einen Tisch warten. Sobald Geschwindner seinen Platz am Vierertisch eingenommen hat, ist die Gesprächsrunde für den Mann eröffnet, den manche für einen verrückten Professor des Spiels halten, das James Naismith 1891 erfunden hat.

Gekleidet in sein übliches legeres und abgenutztes langärmeliges Flanellhemd, ist Geschwindner einnehmend und leidenschaftlich, wenn er spricht. Er hat nicht nur Mathematik, Physik und Philosophie studiert, sondern verfügt auch über ein schier endloses Wissen über Naturwissenschaften und Musik. Einer der Hauptgründe, warum ich Holger Geschwindner treffen wollte, war, um mit ihm über Victor Wembanyama zu sprechen. Über den beeindruckenden NBA-Rookie, der die Liga mit seinen fast unmenschlichen Fähigkeiten im Sturm erobert und der Ende Juli 2021 für zehn Tage in Bamberg war, um zweimal täglich mit Geschwindner zu trainieren.

Victor Wembanyama in Action

„Wir haben uns gut verstanden und es hat viel Spaß gemacht zu sehen, wie schnell er begriffen hat, was die nächsten Schritte für ihn sind”, erinnert sich Geschwinder an die Zeit mit dem Star der San Antonio Spurs. Auf die Frage, ob er einen speziellen Plan für den französischen Youngster aufgestellt hatte, sagt Geschwindner: „Er ist zu uns gekommen, um sich individuell zu verbessern. Wir haben wie immer die wichtigsten Basketball-Grundübungen zum Aufwärmen gemacht, großen Wert auf eine präzise Ausführung gelegt und das Training natürlich auf seine besonderen Bedürfnisse abgestimmt. Das hat ihm sichtlich Spaß gemacht.“

Geschwindner spricht gerne über Wembanyama und glaubt an dessen große Zukunft, wie er auch schon in diversen US-Medien erklärt hat: „Dieser Junge hat das Potenzial, den Basketball erneut zu verändern.” Beim Interviewtermin ergänzt er diese Aussage mit den Worten: „Er versteht die Grammatik des Sports, was nicht sehr oft vorkommt. Ich denke, Victor könnte auch etwas Neues zur Weiterentwicklung des Sports beitragen. Er könnte über seine sehr vorteilhaften physischen Fähigkeiten hinaus etwas Kreatives einbringen oder alte, erfolgreiche Spielzüge wiederbeleben – wie zum Beispiel den Sky Hook, wenn er möchte.“

Sich mit Geschwindner zu unterhalten ist immer lohnenswert, schließlich spricht man mit einem Mann, der großen Anteil daran hatte, einen der wenigen Basketballspieler zu schaffen, der das Spiel in der NBA verändert hat. Die Rede ist natürlich von Dirk Nowitzki, der erste 2,13-Meter-Riese, der das Spiel trotz seiner Größe wie ein Flügelspieler interpretierte und damit den Basketball revolutionierte. Nowitzki war für große Jungs auf der ganzen Welt ein Vorbild und zeigte ihnen, dass sie nicht nur in Korbnähe bleiben müssen, um erfolgreich zu sein. Neben Geschwindner glauben auch viele andere, dass Wembanyama das Spiel auf ähnliche Art verändern kann.

Während mein Gespräch mit Geschwindner schon eine halbe Stunde läuft, setzen sich drei weitere Personen an den Tisch – erst einer, dann zwei weitere gleichzeitig. Ab und zu wechselt Geschwindners Aufmerksamkeit zu einem der Neuankömmlinge und er spricht mit ihnen über lokale Bamberger Themen. Das wirkt zunächst etwas merkwürdig, erklärt sich aber mit der Zeit. So ist Holger Geschwindner nun mal – wer ihn sehen und sprechen will, muss sich an seine Regeln halten. Und diese Regeln besagen: Komm vorbei, einen Kaffee können wir immer trinken.

„Er versteht die Grammatik des Sports, was nicht sehr oft vorkommt. Ich denke, Victor könnte auch etwas Neues zur Weiterentwicklung des Sports beitragen.”

Als die Fragen der Nachzügler beantwortet sind, richtet Geschwindner seine Aufmerksamkeit wieder auf Wembanyama. Gestochen scharf und so, als hätte nichts seinen Gedankengang unterbrochen, betont er, dass der 2,24 Meter große Franzose wirklich Geduld mit seinem Körper haben muss, um die nächste Stufe zu erreichen. „Er muss regelmäßig seine Hausaufgaben machen und sehr genau auf seinen Körper hören. Er spielt mit und auf einem sehr sensiblen Instrument“, sagt Hotsch, wie Geschwindner oft genannt wird. Kraftsport, sagt Geschwindner, sollte für Wembanyama, der erst am 4. Januar 20 Jahre alt geworden ist, derzeit eigentlich ein No-Go sein. „Man muss ihn sich nur ansehen. Die Schwäche seines Körperbaus wird es ihm nicht erlauben, ein normales Kraftprogramm lange durchzuhalten.“

Geschwindner glaubt fest daran, dass Menschen auch andere Interessen haben sollten und sagt, es sei sehr vielversprechend zu hören, dass Wembanyama in Interviews erklärt, er höre klassische Musik, zeichne und schreibe und baue sogar gerne mit Lego. „Ich hoffe wirklich, dass er auch all seine anderen Talente entwickelt und vielleicht versucht, ein Musikinstrument zu lernen“, sagt Geschwindner. Musik ist für Geschwindner ein vorherrschendes Thema. Er setzt Musik und Musiktheorie in vielen seiner Arbeiten mit Kindern ein.

Geschwindner hat inzwischen seinen Kuchen gegessen und seine Tasse geleert. Er bittet um einen zweiten Kaffee. Und er erzählt weiter von Wembanyama. Dass der bei den Spurs gelandet ist, sei perfekt für den jungen Franzosen, so Geschwindner. Wembanyama würde mit dem legendären Gregg Popovich zusammenarbeiten, der das internationale Spiel versteht und verehrt, da er mit vielen internationalen Spielern wie Tony Parker, Manu Ginobili und Boris Diaw gearbeitet hat. Geschwindner glaubt aber auch, dass jemand wie Wembanyama den 74-jährigen Popovich, einen fünffachen NBA-Champion, wiederbeleben wird.

Die ganze Geschichte über Holger Geschwindner und Victor Wembanyama lest ihr in BIG 136

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