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Mind Games: Teil 6

Forming, Storming, Norming, Performing, Adjourning

SPORTPSYCHOLOGEN erklären die Basketballwelt. In der neuen BIG-Serie “Mind Games” stellen Expertinnen und Experten Herausforderungen aus dem Trainingsalltag vor, die sowohl die Profis als auch die Breitensportler kennen.

Text: Markus Gertz | Foto: IMAGO

Die Media-Days sind gelaufen, haben komplett neue Mannschaftsbilder geliefert, und auch der Blick auf die Boxscores der ersten Spiele zeigt Veränderungen zur vergangenen Saison. Im Sommer hat es im ganzen Land wieder zahlreiche Wechsel gegeben. Nicht nur die Bundesligisten gehen mit neuen Spielern und Spielerinnen sowie Teams in die Saison. Auch zahlreiche Amateurvereine dürfen neue Sportler integrieren, aktuell formieren sich ganz neue Teams. Welche mentalen Herausforderungen das gerade zu Beginn der neuen Saison mit sich bringen kann und wie Spieler und Trainer damit umgehen können, will ich in der aktuellen Folge von „Mind Games“ beschreiben.

Auch für mich fängt die neue Saison in einem neuen Team an. Nach sechs Jahren in derselben Mannschaft habe ich mich nun entschieden, den Fahrtweg von 15 Kilometern nicht mehr auf mich zu nehmen und zu dem Verein zu wechseln, der 800 Meter von meiner Wohnung entfernt seine Hallen hat.

Als neuer Spieler in eine Mannschaft zu kommen, war auch für mich eine mentale Herausforderung. Erst mal war ich natürlich ein bisschen traurig, meine Freunde im alten Team nicht mehr so regelmäßig zu sehen. Ich habe außerdem gemerkt, wie ich in den ersten Trainingseinheiten leicht nervös war und mir viele Gedanken gemacht habe, wie ich auf die anderen Spieler wirke. Diese Gedanken und Gefühle kennt vermutlich jeder. Denn wir Menschen sind immer auf der Suche nach Anerkennung und wollen uns in Gruppen eine gute Position erarbeiten. Das ist von Person zu Person unterschiedlich und fühlt sich dementsprechend auch unterschiedlich an.

Aber sicher ist, dass die Situation, in ein neues Team zu kommen, Gefühle und Gedanken auslöst, die angenehm und unangenehm sein können. Wenn ich mit Sportlern, die sich in so einer Situation befinden, im Einzelcoaching arbeite, geht es vor allem darum, die eigenen Gefühle und Gedanken erst mal bewusst wahrzunehmen und auch zu benennen. Das ist oft schon ein wichtiger Schritt, um die Situation besser zu meistern. Wenn ich nämlich meine Gefühle als Gefühle und meine Gedanken als Gedanken wahrnehme, kann ich mich und das, was ich tue, von diesen abgrenzen und beispielsweise trotz der Angst, mich im neuen Team zu blamieren, gut Basketball spielen.

Vielleicht geben die Gedanken und Gefühle sogar wichtige Infos und Ideen, worauf ich im Training und im Spiel achten sollte. Möglicherweise sind aber auch Gedanken und Gefühle dabei, die für mich unnütz sind und die ich ignorieren kann.

Als nächster Schritt ist es sinnvoll, sich Antworten auf folgende Fragen zu überlegen: Wie will ich im neuen Team wahrgenommen werden? Was für ein Teammate will ich sein? Wie soll meine Rolle aussehen? Mit welchen Personen will ich was für eine Beziehung haben? Aus den Antworten auf diese Fragen ergeben sich oft klare Handlungen, die ich als Spieler in jedem Training oder Spiel ausführen kann, um meinen Werten zu folgen. So kann ich als Spieler meinen Teil dazu beitragen, ein Team zu entwickeln, in dem ich mich auch wohlfühle und meine Leistung bringen kann.

Die Vorstellungen, wie die Rollenverteilung ist und welche Werte in einem Team gelebt werden sollten, können gerade bei neu zusammengestellten Teams zu Problemen führen. Gibt es beispielsweise zwei Spieler, die gerne der Go-to-Guy wären, kann dies auf und neben dem Spielfeld Spannungen zur Folge haben. Diese Spannungen sind normal und können auch während der Saison zu Konflikten führen, wenn man keine Lösungen findet. Für Trainer ist es deshalb wichtig, die Prozesse in den Teamentwicklungsphasen (Forming, Storming, Norming, Performing, Adjourning nach Tuckman) im Blick zu behalten.

In der Forming-Phase sind die Teammitglieder meist eher zurückhaltend und beschnuppern sich. Es sind noch keine klaren Rollen verteilt und auch die Ziele sind meist noch nicht ganz klar. In der Storming-Phase versuchen alle, dem Team ihren Stempel aufzudrücken, sich gut zu positionieren, eigene Vorstellungen und Ziele durchzusetzen. Diese Phase kann auch immer wieder kommen, wenn sie nicht gut ausgehandelt wird.

Ziel ist es, möglichst schnell vom Storming zum Performing zu kommen. Dazu benötigt man einen gemeinsamen Norming-Prozess, in dem die Kultur in der Mannschaft geschaffen wird. Es lohnt sich, in dieser Phase Regeln und Rollen klar zu definieren und dabei auch die Ideen und Vorstellungen der Mannschaft einzubeziehen, damit das Commitment für die gemeinsame Kultur auch besonders hoch ist. Wie das gestaltet wird, muss jeder Trainer und jede Trainerin selbst wissen und sollte auch zur eigenen Trainerpersönlichkeit passen. Wichtig ist es, in dieser Zeit viel und möglichst klar und transparent zu kommunizieren. Das kann in Teamsitzungen, im Training, in Einzelgesprächen oder bei Aktivitäten außerhalb des Spielfeldes passieren.

Ist ein Team in der Performing-Phase, dann haben die Teammitglieder ihre effektivste Rolle gefunden und gemeinsame Ziele, Regeln und Werte helfen dem Team, die Leistung zu bringen. Hier ist es wichtig, immer noch gemeinsam zu reflektieren und Regeln, Rollen und Werte zu schärfen und bei Bedarf anzupassen.

Am Ende der Saison kommt die Adjourning-Phase, in der das Team im besten Fall noch mal gemeinsam reflektiert, evtl. gemeinsam feiert und neue Ideen und Erfahrungen in die nächste Saison, ins neue Team mitnehmen kann.

Die Einordnung in dieses Phasenmodell kann also hilfreich sein. Wichtig ist aber, dass der Prozess nie abgeschlossen ist, Phasen immer wiederkommen können und Trainer und Spieler über die gesamte Saison hinweg über Regeln, Werte und Rollen nachdenken und sprechen sollten.

In meinem neuen Team kann ich auch, obwohl ich nicht der Trainer bin, meinen Teil dazu beitragen, dass wir über uns über unsere Rollen, Regeln und Werte bewusst sind, indem ich immer wieder Gespräche darüber anrege. Ich werde mir über die Saison hinweg jedenfalls immer mal wieder die Zeit nehmen, um über meine Gedanken und Gefühle und meine neue Rolle und mein neues Team nachzudenken. Dadurch kommen wir hoffentlich schnell und andauernd zu unserer Performing-Phase – und es gibt die Möglichkeit, gemeinsam Spaß und Erfolg zu haben und neue Freundschaften zu schließen.

Markus Gretz

hat in Leutkirch im Allgäu mit dem Basketballspielen begonnen und ist dann zum Studium der Sportwissenschaften und Psychologie nach Jena gegangen, wo er bei Science City Jena nebenbei als Trainer arbeitete. Neben dem Masterstudium der angewandten Sportpsychologie in Halle trainierte er Jugendmannschaften der Halle LIONS. Anschließend zog es ihn für fünf Jahre als hauptamtlichen Jugendtrainer zu den Scanplus Baskets SV Oberelchingen. Nebenberuflich machte er sich in der Region Ulm als sportpsychologischer Berater selbstständig. Nun arbeitet er als Leiter der Sportpsychologie am Nachwuchsleistungszentrum des SSV Ulm 1846 Fußball e.V. und hat mit seiner selbstständigen Beratungspraxis eine Kooperation mit dem Olympiastützpunkt Stuttgart. Er bloggt immer wieder für das Netzwerk die-sportpsychologen.de und ist auf Twitter, Instagram und Facebook sowie über seine eigene Homepage mg-sportpsychologie.de zu finden.

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