Die deutsche Männer-Nationalmannschaft beendet auch das Februar-Fenster mit zwei Siegen. Wichtiger als der Gruppensieg und die zwei Erfolge gegen Schweden (73:66) und Finnland (87:81) sind jedoch die weitere Implementierung der (Spiel-)Kultur, die Integration der nächsten (Spieler-)Generation und die Fortsetzung der Begeisterungswelle.
Text: Lukas Robert | Foto: FIBA
Zwölf Spiele, 36 Spieler: Das Testen unterschiedlicher Akteure war für Bundestrainer Gordon Herbert das Schlüsselelement der vergangenen 16 Monate. Nachdem er pünktlich zum Start der ersten Quali-Phase das Amt im Herbst 2021 übernommen hatte, machte er sich von (beinahe) jedwedem für die Nationalmannschaft in Frage kommenden Akteur selbst ein Bild. Für die Europameisterschaft im eigenen Land, für die WM im kommenden Sommer, für die Länderspielfenster dazwischen. Zusätzlich zu den 36 im Kader stehenden Akteuren kamen weitere Trainingsgäste, zuletzt Till Pape und Johannes Patrick.
Die Konstante? Justus Hollatz, der als einziger Akteur in allen Qualifikationsspielen auf dem Parkett stand. Während Robin Benzing und Bastian Doreth die Nationalmannschaft vor der Herbert-Ära prägten, ist „Juice“ die perfekte Verkörperung der Neuzeit. Der Reifeprozess des deutschen Teams lässt sich sehr gut am 21-Jährigen ablesen. New School ersetzt Old School. Wirkte er beim Herbert-Debüt (66:69 vs. Estland) noch überfordert, war er nun neben Johannes Voigtmann der entscheide Faktor beim abschließenden 87:81-Erfolg vor ausverkauftem Haus im finnischen Espoo. Der Gruppensieg wurde dank seiner 14 gespielten Assists möglich… Voigtmann. Auch ein Mann, den es herauszuheben gilt: Der Co-Kapitän stellte sich trotz EuroLeague-Belastung in den Dienst der Mannschaft, machte seine Nominierung in Eigenregie klar. Kurze Nacht inklusive. Das spricht selbstredend für ihn und im gleichen Maße für Herbert.
Das DBB-Team hat unter Herberts Ägide eine Kultur etabliert. Die Spieler brennen für die Nationalmannschaft. Sie möchten, selbst wenn es gute Gründe für eine Absage aufgrund eigener (Mailand-)Verpflichtungen geben würde, auflaufen. Vor einem Jahr rückten Johannes Thiemann, Andreas Obst und Maodo Lô in Heidelberg (vs. Israel) nach und waren entscheidend am 84:80 beteiligt, nun folgte Voigtmann.
Die Fans in den Hallen honorier(t)en dieses (eingeforderte) Commitment, die immense Intensität auf dem Parkett. Länderspiel-Fenster sind keine frustrierende Pause im Jahreskalender (mehr), sondern ein Grund zur Freude. Die Nationalmannschaft macht richtig Laune. Trotz der Abwesenheit der NBA-Jungs, trotz des Konflikts zwischen EuroLeague und FIBA.
In den Duellen gegen die Skandinavier ging es in den vergangenen Tagen um den ersten Tabellenplatz in Gruppe J, um Punkte für die Weltrangliste und in letzter Konsequenz auch um minimale Auswirkungen für die Auslosung der WM-Gruppen Ende April. Aber eben: um minimale. Dass die SÜWAG Energie Arena in Frankfurt gegen Schweden mit 5.002 Menschen dennoch ausverkauft war (und der DBB die Austragung selbstbewusst nach Hessen vergeben hatte) zeigt, dass der eingeschlagene Weg von den Menschen angenommen wird – obwohl nur zwei der zwölf EM-Fahrer dabei waren. Basketball-Euphorie trifft dauerhafte Begeisterung, echte Akzeptanz statt aufgesetztes Marketing.
Bundestrainer Gordon Herbert hat Deutschland bei der Heim-EM nicht nur zum ersten Edelmetall seit Ewigkeiten geführt, sondern – diese Leistung wiegt fast noch mehr – das Land wieder hinter seiner Nationalmannschaft geeint. Die Spitze des Nationalteams war auch unter seinen Vorgängern kein Problem, es mangelte bis 2021 viel mehr an Kader-Breite, Langfristigkeit und einer übergreifenden Identität. Herberts Plan, den Kader schon für die nächste und übernächste Generation aufzustellen, ebendiese einzubeziehen, eine dauerhafte und von ihm unabhängige Spiel-Kultur zu implementieren und damit die Aufgaben zu erledigen, deren Lorbeeren er höchst wahrscheinlich nicht mehr selbst ernten wird, ist perfekt. Einmal mehr wurde dieses Risiko belohnt: Die Nationalmannschaft der Zukunft saß gegen Schweden und Finnland nicht vor dem Fernseher oder weilte im Urlaub, sondern stand auf dem Parkett. Und dies, obwohl die Chancen auf eine Turnier-Teilnahme für jeden Einzelnen bis mindestens 2024 sehr gering sind. Klare Kommunikation, harte Arbeit und ein nachvollziehbarer Dreijahresplan, der nach der EuroBasket 2022 zum World Cup 2023 und im Idealfall auch zu Olympia 2024 führen soll, sind die Basis.