Nesa Kovacevic ist Schiedsrichter-Chef der Basketball-Bundesliga. Bei BIG Postgame – powered by Tipico – spricht er über seine Arbeit und die drastischen Veränderungen in dieser Saison.
Seit dieser Saison bist du vom Parkett auf den Sessel des Schiedsrichter-Bosses gewechselt. Was gefällt dir besser?
Kovacevic: Ich war 27 Jahre lang Schiedsrichter. Das Parkett ist meine Komfortzone. Dort war ich sehr erfahren. Diesen Posten zu verlassen, hat mich da rausgebracht. Deshalb ist es schön, dass ich mich in der Hinsicht geändert habe. Trotzdem vermisse ich es noch in einigen Momenten.
Wieso hast du deine Karriere mit 43 Jahren beendet?
Es war keine aktive Entscheidung. Die Liga ist an mich herangetreten. Sie wollten mich für die neue Position haben. Sie wollten jemanden haben, der sich um die Schiedsrichter kümmert. Das Neue kam und dafür habe ich das Alte eingetauscht.
Du hattest das unglücklichste Karriereende, was man sich vorstellen kann. Deine falsche Entscheidung im zweiten Playoff-Viertelfinal-Spiel zwischen München und Göttingen hat die Partie maßgeblich beeinflusst. Wie hast du dich danach gefühlt?
In meiner romantischen Vorstellung, wie die Karriere zu Ende geht, wäre es anders gewesen. Mit einem spielentscheidenden Fehler aufzuhören war sehr schmerzhaft. Ich habe mich auch mit den Göttingern in Verbindung gesetzt und erklärt, dass es ein Fehler war und mir leidtut. Man muss es aber am Ende tragen.
Wie sehr hat dich die Situation für deine jetzige Position gestärkt?
Es ist ein Teil des Geschäfts. Manchmal liegt man einfach falsch. Das sage ich heute auch meinen Schiedsrichtern. Es schützt mich manchmal davor, zu schnell zu urteilen und zu sehr von oben herab zu sein.
Wie sieht eine typische Arbeitswoche für dich aus?
Auf den Wochenenden liegt der Schwerpunkt. Ich bin meistens bei zwei bis drei Spielen in der Halle oder schaue sie mir auf Video an und bespreche danach direkt die Ereignisse mit den Schiedsrichtern. Neben den Spielen, wo ich danach direkt involviert bin, schaue ich mir dazu noch mehrere Spiele an, um die Situation im Blick zu haben. Ich bin kein Kontroll-Typ. Ich muss aber informiert sein, wenn Vertreter der Vereine im Laufe der Woche auf mich zukommen.
Wie intensiv ist die Analyse vor und nach den Spielen für die Schiedsrichter? Vielen ist sicher nicht bewusst, wie viel Arbeit dahintersteckt.
Es passiert immer unfassbar viel. Es wird auch viel neben dem Feld gearbeitet. Die Schiedsrichter sind alle sehr gewissenhaft und selbstkritisch. Diese Selbstkritik kommt auf dem Spielfeld selten heraus. Man denkt immer, Schiedsrichter sind schon arrogant. Das ist aber nicht so. Schiedsrichter sind normale Menschen. Sie haben nur eine Persönlichkeit auf dem Feld, die sich zugelegt haben. Neben dem Court sind aber auch Leute dabei, die sich viel hinterfragen und oft auch sensibel sind.
Was würdest du sagen ist ein gutes Spiel für einen Schiedsrichter?
Wenn der Schiedsrichter eine gute Kombination aus Spannung und Entspannung gefunden hat, läuft es meist gut. Man kann nicht komplett entspannt sein, sodass man zu langsam entscheidet. Trotzdem darf man nicht auf alles direkt reagieren wie ein Hase. Wenn man da das richtige Level findet, ist es gut. Dazu kommt auch der Austausch mit Spielbeteiligten. Da kommt es im Gespräch auf ein Feingefühl an. Ganz oben steht natürlich die Trefferquote der Entscheidung. Das hängt alles zusammen.
Wie zufrieden bist du unter diesen Gesichtspunkten mit der bisherigen Saison aus Schiedsrichter-Sicht?
Ich bin positiv überrascht, wie viele Schiedsrichter ihr Verhalten gegenüber Spielbeteiligten geändert haben. Das war unser klarer Plan und der Wunsch der Trainer. Die Beteiligten sollen mit einem Menschen und keinem Roboter sprechen, der keine Antwort gibt. Das merke ich. Ich bin mehr als zufrieden damit, wie wir den Trainern oder Spielern gegenübertreten. Der Umgang miteinander ist deutlich besser geworden.