Okinawa ist nicht OAKA: Jens Leutenecker erklärt die japanische Basketballkultur und das Profil der gastgebenden Nationalmannschaft, gegen die Deutschland am Freitag die WM eröffnet (Live ab 13 Uhr bei MagentaSport)
Feuerzeuge, Bengalos und Spielabbrüche – einige nationalen Playoffs in Europa waren in den letzten Saisons von Spielunterbrechungen und Hallenräumungen durch Fanausschreitungen geprägt. Ob in Belgrad oder Athen, das Aggressionspotential hat in den letzten Jahren deutlich zugenommen. Da lohnt sich ein Blick Richtung Pazifik, im speziellen die Art und Weise, wie japanische Fans die Weltmeisterschafts-Spiele(r) aufnehmen. Frankreichs NBA-Star Nicolas Batum bedankte sich nach den Vorbereitungsspielen in Tokio bei den japanischen Fans für deren Gastfreundschaft und wunderbare Kultur – Respekt vor den Protagonisten wird in Japan großgeschrieben. Natürlich unterstützen die Japaner ihre eigene Nationalmannschaft, besonders wenn sich der eingebürgerte Josh Hawkinson einen Offensivrebound sichert, brandet euphorischer Jubel auf. Aber die „oohs“, „aahs“ und „mmhs“ hört man ebenfalls, wenn Luka Doncic einen Zauberpass hinter dem Rücken auspackt, Duop Reath über Rudy Gobert dunkt oder der Neu-Bayer Sylvain Francisco über das Feld sprintet. Der Respekt gegenüber den Spielern geht sogar so weit, dass im japanischen Liga-Gremium diskutiert wurde, ob Heimfans den gegnerischen Spieler beim Freiwurf überhaupt ausbuhen dürfen – man einigte sich darauf, dass es gerade noch ok sei.
Rollenverteilung in der B-League – Japaner werfen, die Imports müssen liefern
Nur 2,5 Prozent aller japanischen Einwohner sind Ausländer, im internationalen Vergleich (Deutschland: 14,6 Prozent) ist der Inselstaat Japan relativ restriktiv mit der Vergabe von Aufenthaltstiteln – das lässt sich auch in der Basketballkultur beobachten. Vergleichbar zur deutschen ProA dürfen in Japan nur zwei Ausländer gleichzeitig auf dem Feld stehen, meisten auf den Innenpositionen 4 und 5. „Die Imports müssen hier liefern“, sagt Mathias Fischer, Head Coach von Osaka Evessa. „Sie sollen die Punkte erzielen und bekommen etwas mehr Freiraum von den Coaches, aber auch von den Schiedsrichtern.“ In Spielstatistiken lässt sich dieser Eindruck sehr gut belegen: 10 von 24 Teams setzten in der abgelaufenen Saison auf ein zweistelliges Post-up-Volumen, in der BBL spielten nur zwei Teams den Ball mehr als zehnmal Inside. Oldschool-Basketball mit Centerspieler und Power Forward ist nach wie vor ein gutes Mittel, um in Japan erfolgreich zu spielen. „Eine Switch-Verteidigung funktioniert hier nur bedingt, weil die Japaner nicht über die körperlichen Dimensionen eines EuroLeague-Guards wie zum Beispiel Nick Weiler-Babb verfügen“, sagt Mathias Fischer. „Die Imports sind meistens etwas schwerer als die Bundesliga-Innenspieler und die Japaner einfach etwas leichter, deshalb muss man mit schnellen Guard-Rotationen arbeiten.“
Let it rain – Das Profil der japanischen Nationalmannschaft
Tempo-Basketball und ein hohes Wurfvolumen prägt das Spiel der japanischen Nationalmannschaft: Mit 44 Dreierversuchen pro Spiel, ob aus dem Fastbreak, Pick’n’Rolls oder nach indirekten Blöcken, kann die japanische Nationalmannschaft jederzeit Momentum erzeugen. 23 Fastbreak-Punkte erzielten die Japaner bei AsiaCup und den World Cup Qualifiers – fast jeder vierte Angriff endet nach 7 Sekunden oder weniger. Dabei spielt das Team von Coach Tom Hovasse zwar schnell, aber keineswegs unstrukturiert: 47 der 87 Punkte pro Spiel geht ein Assist voraus, nicht selten attackieren sie statt traditionellem Spacing mit mindestens einem Innenspieler in einer sehr variablen 5-out-Formation. In der Verteidigung agiert die Mannschaft sehr diszipliniert mit einer großen Bandbreite an Defensivvarianten, ob mit aggressive Ballverteidigung oder mehreren einstudierten Zonenpressen.
Respektvoller Umgang miteinander, geregelte Abläufe und uneigennütziges Verhalten – die japanische Mentalität spiegelt sich auf dem Basketball-Feld wider!